Der Herbst lässt
unweigerlich Einiges in anderem, besserem Licht erscheinen.
Ein
Altweibersommer lässt nochmals schöne Dinge Revue passieren, weckt also
Erinnerungen, die, aufgrund der verstrichenen Tage, Wochen oder Jahre
vielleicht etwas geschönt sind. Trotzdem, in diesem Falle lassen wir uns gerne
erneut verführen.
So erging es uns
mit dem Parco Scherrer in Morcote. Vor beinahe zwanzig Jahren war ich mit
meiner Grossmutter in diesem Zaubergarten und immer wieder faszinierten mich
die Erinnerungen daran. Vor etwa 10 Jahren war ich einer Geschäftreise wegen im
Juli in Morcote und wollte ganz alleine diesen Park besuchen, wurde aber
abgeschreckt durch übervolle Reisecars, kurzbehoste Amerikanerinnen und
gamsbartbewehrte Filzhutträger, fotogeile Japaner und übelgelaunte
Schweizerpaare – kurzum, ich liess erschreckt von meinem Vorhaben ab.
René kannte den
Parco Scherrer nicht und da inzwischen die Nachsaison begonnen hat, beschlossen
wir, ganz gemütlich Richtung Morcote aufzubrechen.
Gegen Mittag konnten wir auf einem kleinen Parkplatz sogar eine Parklücke ausmachen und erstanden anschliessend zwei Eintritte für den stolzen Preis von je Fr. 9.-. Alles im grünen Bereich, denn wir wollen ja einen aufwändig zu erhaltenden Park besichtigen…
Arthur Scherrer,
ein Tuchfabrikant und –händler hat sich hier ein Traum verwirklicht: Aus einem
mit Unkraut und Kastanienbäumen überwachsenen steilen Grundstück am See
zauberte er unermüdlich ein kleines Paradies, bis zu seinem Tode 1956.
Ein wunderschöner
Spaziergang durch exotische Pflanzen, die hier im fast subtropischen Klima
prima gedeihen. Realisierte Träume von griechischen Tempeln, siamesischen
Teehäusern in Bambushainen, arabischen Häusern, römischen Terrassen bis hinunter
zum indischen Palast. Auch wenn sich nun mancher fragt, ob das nicht an Kitsch
grenze – nein, tut es nicht, wenn ich weiss, dass Herr Scherrer dies in den
Jahren 1930 – 56 geschaffen hat und sich sehr genau an originale Vorlagen
gehalten hat. So beispielsweise der ägyptische Tempel mit der Nofretete, die
originalgetreue Nachbildung von Berlin!
Auch René hat’s
gepackt und wir geniessen unser Picknick auf einem der unzähligen Bänkchen, die
es ebenfalls zu entdecken gibt. Die Ruhe geniessen wir einmal mehr und unser
Blick schweift auf das gegenüberliegende Porto Ceresio. Sogar die Zöllner
machen grad Siesta auf dem Boot.
Die Aussicht vom griechischen Tempel Richtung Porto Ceresio
Es gibt viel zu entdecken:
Von der Libelle (ehrlich, ich habe nur ca 37 mal probiert, sie mit der Fotokamera einzufangen...)
über versteckte Quellen bis hin zur Glücksschildkröte:
Allein eines
betrübt mich:
Obschon ich
manchmal einen Hang zum Perfektionismus habe, finde ich, dass im Garten ein
„Mut zur Lücke“ unbedingt hingehört. Allerdings stelle ich mir hier die Frage,
ob die Gemeinde Morcote nicht etwas sehr lasch mit dem nun doch eintreffenden
Geldsegen umgeht. Eine liebende Hand, ein geübtes Auge und viele Dinge wirkten
nicht ganz so vernachlässigt wie jetzt. Vielleicht ist mir das vor zwanzig
Jahren nicht aufgefallen, aber einiges ist doch offensichtlich…
Genug der trüben
Gedanken – auf zum wohlverdienten Kaffee!
Als ich vor eben
10 Jahren hier weilte, lud uns der Gemeindepräsident zu einem Nachtessen im
Grotto der Alpe Vicania über Vico Morcote ein.
Damals gehörte
das Grotto Giovanni Albisetti, der die Alpe nach einer sehr erfolgreichen
Radrennfahrerkarriere Mitte der 70-er zu einem Alpgasthof umfunktionierte.
Coniglio mit Polenta, Tagliatelle allo Zafferano oder je nach Saison gefüllte
Tortelloni, und und und – für alles war Giovanni selber zuständig. Die
Gaststube wirkte vielleicht auf den ersten Blick etwas kitschig, aber trotzdem
störten die Maiskolben, der Kupferkessel und die karierten Tischdecken nicht,
frau fühlte sich einfach wohl und das Essen stimmte. Das Grotto ist zu Fuss in
ca 30 Min. ab Vico Morcote erreichbar und auch für mutige Autofahrer gibt es
einen kurvenreichen Weg nach oben.
René und ich
geniessen es, auf diese Waldlichtung zu kommen, erklimmen die letzten Meter zum
Grotto und – ich staune:
Sehr edel,
trotzdem rustikal, sehr gepflegt und ziemlich modern – das Grotto wurde
renoviert und ist ein Ristorante geworden.
Giovanni ist
verschwunden! Und niemand kann uns verraten, was aus ihm und seiner Frau
geworden ist.
Eine sympatische Crew jedoch heisst uns herzlich willkommen und wir geniessen eine perfekte "Torta d'albicocche" zum Kaffee.
Der Blick ins Innere des Grottos bestätigt den äusseren Eindruck - und die Stimmen rundherum bestätigen auch, dass hier nach wie vor beste Küche geboten wird. Alle schauen auch auf die Details und inzwischen ist die Alpe sogar für Hochzeitsfeiern und gediegene Geschäftsessen ein beliebtes Ziel.
Wir kommen bestimmt wieder, um die vielversprechenden Gerichte auf der Karte auszuprobieren und in der Hoffnung, Giovannis Geist bleibt hier oben erhalten.
Ristorante Alpe Vicania
6911 Vico Morcote
091 980 24 14
PS. Übrigens lässt die Weinkarte keine Wünsche offen - auch Tessiner Geheimtipps sind dabei!