Hommage à la cuisine de ma grand-mère -
"Huldigung" der Küche meiner Grossmutter
Meine Grossmutter stammt aus der Französischen Schweiz - ein nicht zu verachtender Grossteil meiner Verwandtschaft ebenfalls. Viele Kindheitserinnerungen sind unverrückbar mit der Küche des Welschlandes verbunden. Und weil meine Grossmutter und ihr verflecktes, vergilbtes Schulkochbuch wie auch ihre handgeschriebenen Zettel, die sie jeweils aus der Schublade unter dem Kühlschrank hervorzuholen pflegte, einen Grossteil meiner Küchenerlebnisse prägten und es noch tun, erscheint es mir plötzlich wichtig, diese Erinnerungen festzuhalten.
Sei's weil frau mit dem Älterwerden plötzlich kulinarische Erinnerungen in verklärtem Licht sieht, sei's weil es doch die eigenen Wurzeln sind, die sich beim Durchblättern von "welschen" Kochbüchern bemerkbar machen...
Wer es als sentimental abtut - bitte. Aber kulinarisch "back to the roots" zu gehen, hat glaub' ich, noch keiner Küche geschadet.
Also, für Nicht-Schweizer:
Das Welschland, wie der Deutschschweizer es so schön bezeichnet, umschreibt eigentlich die gesamte Französische Schweiz. Alles westlich vom legendären Röstigraben, nämlich der Saane, die sich durchs Freiburgerland gegen Norden schlängelt. Zwischen Alpen und Jura, also die Kantone Wallis und Fribourg (natürlich nur jeweils der Französische Teil), Waadt, Genf, Neuenburg und Jura.
Verbunden bin ich als Heimweh-Solothurnerin sowieso den Romands - das zu erklären würde allein einen Blog wert sein. Meine Wurzeln reichen von der "La Côte" westlich von Lausanne und dem als Unesco-Weltkulturerbe eingetragenen Lavaux, östlich von Lausanne bis ins Fribourger-Land. Ich habe einige Zeit in Genf und am Jura-Südfuss in Biel-Bienne, der zweisprachigen Schweizer Stadt schlechthin, gelebt und die sanften und schroffen Hügel des Juras per Pedes, im Planwagen und auf dem Rücken der Pferde erkundet. Ich liebe den Doubs, die Wiesen, Höfe und Wälder der Ajoie; verdanke der Schweizer Armee unvergessliche Tage im Wallis und Freiburgerland, aber auch im Drei-Seen-Land. Auf dem Mont Vully, hoch über dem Murten- und Neuenburgersee habe ich geheiratet. Und jedes Mal, wenn ich das Glitzern des Lac Léman und die Rebberge wiedersehe, überwältigt mich das Gefühl des "Nachhausekommens". Und ja, ich träume noch ab und zu den erinnerungsreichen Tagen der Weinlese am Genfer- und Neuenburgersee nach nach.
Wer es jetzt immer noch aushält und weiterlesen mag, wird mit einem feinen Rezept für ein "Papet vaudois" belohnt - man darf aber den folgenden Exkurs auch überspringen ;-)
Heute geht es um den Kanton Waadt.
Traditionsgemäss wird am 24. Januar in der Waadt ein Papet vaudois gegessen, denn...
Von 1536 bis 1798 stand der heutige Kanton Waadt unter der Herrschaft der "Gnädigen Herren der Stadt Bern". Sie brachte die Reformation und, im Vergleich zum angrenzenden Frankreich und auch zu Deutschland, eine Zeit des Friedens und des Wohlstandes. Von einer kleineren Unruhe unter Major Davel abgesehen... Der Bevölkerung fehlten aber - wie auch in den deutschsprachigen Untertanenengebieten - die politischen Rechte.
Anno Domini 1798 im Januar ging die Herrschaft Berns in der Waadt zu Ende. Denn eben an diesem 24. Januar wurde die "République Lèmanique" erklärt, und die Bernischen Landvögte, welche "Leurs Excellences de Berne" vertraten, nach Hause geschickt. Auf der Place du Palud in Lausanne wurde ein Freiheitsbaum aufgestellt, die grüne Fahne der Republik flatterte im Wind und grüne Kokarden schmückten die Hüte der Waadtländer.
Nur: Zu einer feierlichen Proklamation der Republik kam es nie und existiert hat diese Republik leider nur auf der Fahne.
Denn am 28. Januar bereits marschierten die Franzosen unter Napoleon Bonaparte in Lausanne ein. Sie verlangten vom Waadtland Unterkunft, Nahrung und Futter für ihre Truppen und Tiere; zudem die Auszahlung des den Soldaten geschuldeten Soldes für die letzten Monate und die Stellung von 4000 "freiwilligen" Soldaten....
Dafür verdanken die Waadtländer dem kleinen grossen Franzosen die erste, teuer erkaufte, Verfassung von 1803!
Heute geht es "der Waadt" viel besser und sie kann stolz sein auf -
- das Jazz-Festival von Montreux und das Paléo-Festival von Nyon
- die Athletissima von Lausanne
- das Internationale Ballonfestival in Château-d’Oex, der Welthauptstadt der Heissluftballons
- den grössten Nahrungsmittelkonzern der Welt mit Sitz in Vevey
- den Sitz des Olympischen Komitees in Lausanne
- den Sitz des Bundesgerichtes (seit 1874)
- einige der berühmtesten Privatschulen der Welt
- die neue Metro von Lausanne
(die Liste ist absolut subjektiv, willkürlich und ganz bestimmt unvollständig)
Waadtländer Wurzeln, ja, da darf frau auch ein klein wenig stolz sein. Der berühmten Kinder der Waadt sind nicht wenige:
General Henri Guisan, der eben noch vor Weihnachten 2011 zum Romand des Jahrhunderts gewählt wurde, Henri Nestlé und François-Louis Cailler, der Dirigent Ernest Ansermet, die Schriftsteller Charles Ferdinand Ramuz, Jacques Chessex.
Auch der Filmemacher Jean-Luc Godard ist Waadtländer, ebenso wie der Fussballer Stéphane Chapuisat, mehrfacher deutscher Meister und Europameister 1997;
Auguste, Jacques und Ballonpilot Bertrand aus der Abenteurer-, Wissenschaftler und Entdeckerfamilie Piccard oder auch der Astronaut Claude Nicolier. Felix Valloton und und und
Wer alles da lebte und lebt - tja, die Waadtländer Riviera zog und zieht noch immer die Schönen, Reichen, Gescheiten und Mächtigen dieser Welt an, so z.B. Voltaire, Igor Stravinsky, Piotr Tchaïkowsky, Vladimir Nabokov, Henri Bergson, George Byron, Ernest Hemingway, Graham Greene, Scott Fitzgerald, Coco Chanel, Charlie Chaplin, Charles Lindbergh, Audrey Hepburn, Barbara Hendricks, Maurice Béjart, Georges Simenon, Peter Ustinov, Freddie Mercury, Phil Collins, Barbara Hendricks, David Bowie, Yannik Noah, Alain Prost, Jean Alesi, Michael Schumacher, Paloma Picasso, Henri Verneuil oder Ingvar Kamprad, die erfolgreichste Miss Schweiz Lauriane Gilliéron u.v.a.m.
Grandiose Küchenchefs wie Fredy Girardet, Philippe Rochat, Gérard Rabaey, Bernard Ravet und Madame Anne-Sophie Pic kochen im obersten Sterne- und Gabel-Bereich und ganz viel andere, nicht so bekannte Köche, lassen die Waadt kulinarisch hochleben.
Die Waadt ist mit fast 4000 ha Rebbergen und 6 AOC-Regionen der grösste Weinproduzent der Schweiz.
Hier mal wieder einen Aufruf an unsere Nachbarländer im Norden und Osten.
Leider immer noch geltende Vorurteile sollten endlich aus der Welt geschafft werden! Denn genausowenig wie Deutsche Weine immer süss sind, sind die Schweizer Weine sauer. Und es gibt nicht nur den Fendant zum Fondue, sondern ganz wunderbare Weine vom Lac Léman, die einer Entdeckung harren! Und von den Neuenburger, Ostschweizer und Tessiner Weinen reden wir jetzt mal noch gar nicht...
Zurück zur Geschichte und den geschichtsträchtigen Speisen. An zwei Tagen im Jahr ist in der Waadt "Papet Vaudois" angesagt: Eben an diesem 24. Januar und auch